| |
Mitte August 1939 wird Karl Dönitz aus seinem Urlaub zurückgerufen. Der
deutsche Angriff auf Polen stand unmittelbar bevor, und er würde, wenn England seinen
Verpflichtungen nachkam, auch einen Krieg mit Großbritannien zur Folge haben.
Karl Dönitz schickte seine U-Boote auf den Marsch. Sie rückten in der Nordsee und
auch westlich der Britischen Inseln in die Positionen ein, die für den Fall der Mobilmachung
vorgesehen waren.
Am 01.09.1939 marschierten deutsche Truppen in Polen ein.
Am Morgen des 03.09.1939, einem Sonntag, überreichte der britische Botschafter in Berlin
dem deutschen Außenministerium ein Telegramm seiner Regierung, in dem ultimativ der
Rückzug der Wehrmacht aus Polen gefordert wurde: "Falls nicht bis 11:00 Uhr vormittags
britischer Sommerzeit am heutigen Tage, dem 03.09.1939, eine befriedigende Zusicherung erteilt
wird, wird zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich ein Kriegszustand von dieser
Stunde an bestehen"
Kurz nach 11:00 Uhr an diesem Sonntag Vormittag funkte die britische
Admiralität an alle ihre Schiffe auf den Meeren der Welt zwei Worte: "Total Germany". Es
war der Code für den Beginn des Krieges gegen Deutschland.
Großadmiral Erich
Raeder notierte in seiner Funktion als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine: "Am heutigen Tage ist
der Krieg gegen England-Frankreich ausgebrochen, mit dem wir nach den bisherigen Äußerungen
des Führers nicht vor etwa 1944 zu rechnen brauchten..."
|
| Großadmiral Erich Raeder |
Der Führer der U-Boote,
Karl Dönitz, hielt sich an diesem 03.09.1939 in seiner Befehlsstelle nahe des U-Boot-Stützpunktes
Wilhelmshaven auf. Um 13:30 Uhr las er den Befehl der Seekriegsleitung: "Beginn der Feindseligkeiten
gegen England sofort." Noch am selben Tag traf Kommodore Dönitz mit den Admirälen
Hermann, Boehm und Saalwächter zusammen. Die Stimmung war gedrückt. Später erinnerte
sich Dönitz an dieses Treffen: "Tiefer Ernst beherrschte unsere Aussprache. Wir wussten,
was ein Krieg gegen England bedeutete, wie fast unerschöpflich die Kräfte seiner
Seemacht sind, und dass die sich zwar erst allmählich entfalten, dann aber immer
überlegener zur Wirkung kommen würde."
Die deutsche U-Boot-Waffe musste erst
gegen die stärkste Seemacht der Welt fahren. Die jedoch nicht mit 300 Booten, die Dönitz
für einen Sieg für erforderlich hielt, sondern mit lediglich 46 einsatzfähigen
Booten, von denen wiederum nur 22 atlantiktauglich waren.
Später schrieb Dönitz:
"Dienststellen der deutschen Marine und die deutsche Staatsführung haben im Zweiten Weltkrieg
die Bedeutung des U-Bootes nicht rechtzeitig und nicht in ihrer vollen Größe erkannt
und die erforderlichen Mittel dafür nicht rechtzeitig aufgewendet. Das ist die Tragik des
deutschen U-Boot-Kriegs im Zweiten Weltkrieg."
Am Abend dieses Tages aber, ereignete sich
ein Vorfall, der die militärische Bedeutung der deutschen U-Boote vorerst noch weiter
schrumpfen ließ:
Am Nachmittag des 02.09.1939 hatte der britische Passagierdampfer
"Athenia" den Hafen von Liverpool verlassen. An Bord des 14.000 BRT großen Schiffes
befanden sich 1410 Passagiere und Besatzungsmitglieder. Unter anderem befanden sich unter den
Passagieren auch 316 Amerikaner. In den Morgenstunden des 03.09.1039 umrundete die "Athenia" die Nordspitze
Irlands und ging auf westlichen Kurs in Richtung Amerika.
Westlich von Irland stand an diesem
Tag das deutsche U-Boot U 30, kommandiert von Kapitänleutnant
Fritz-Julius Lemp. Am frühen Nachmittag hatte U 30 den Funkspruch der Seekriegsleitung
aufgefangen, mit dem die Kommandanten der U-Boote informiert wurden, dass sich Deutschland
im Krieg mit England befand. Außerdem wurden sie mit diesem Funkspruch dazu autorisiert
die geheimen Unterlagen zu öffnen, die sie beim Auslaufen für diesen Fall mitbekommen
hatten. In diesen Unterlagen befanden sich Anweisungen mit Operationsgebiet bzw. Aufträge.
Kapitänleutnant Lemp hatte seine schriftlichen Befehle gelesen. Sie wiesen ihn an, dass
er sich bei seinen Angriffen an die Prisenordnung zu halten hatte.
|
| U 30 |
Jetzt neigte sich dieser
erste Tag des Krieges dem Abend zu. U 30 pirschte in den Seeraum, der ihm als Operationsgebiet
zugewiesen worden war. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich von Osten mit stetiger Geschwindigkeit
die "Athenia". Ihr Kapitän James Cook wusste nicht von der Anwesenheit eines U-Bootes,
aber er befahl trotzdem die Geschwindigkeit des Schiffes zu erhöhen, ordnete gleichzeitig
an, den großen Dampfer in Zickzackkursen über das Meer zu steuern und außerdem
ließ er alle Lichter an Bord abblenden. Zickzackkurse galten als Abwermaßnahme gegen
U-Boote. Sie sollten es dem Boot erschweren, sein Ziel auszurechnen und somit einen sicheren
Torpedoschuß abzufeuern. Die Anweisungen des Passagierdampferkapitäns James Cook
aber erwiesen sich als sehr verhängnisvoll.
Einer der Männer im Turm von
U 30 machte in der Dämmerung die Umrisse der Aufbauten eines großen Dampfers aus,
der sich dem Standort des U-Bootes näherte. Kommandant Fritz-Julius Lemp ließ U 30
auf das fremde Schiff eindrehen. Er sah, dass der Dampfer mit abgeblendeten Lichtern fuhr,
und er sah auch, wie das Schiff über den Ozean zackte. Kapitänleutnant Lemp kam zu
dem Schluß, dass da ein Hilfskreuzer heranstampfte. Daraufhin beschloß er, den
vermeintlichen Feind zu vernichten.
Um 19:43 Uhr machte U 30 drei Torpedos los. Dies
waren die ersten Schüsse in der kommenden Atlantikschlacht. Die Torpedos trafen die
Backbordseite der "Athenia". Die Explosionen donnerten auf, die Schiffswand zerbarst und Wasser
schoss in die Räume des Dampfers. Wenig später neigte sich das Schiff mit Schlagseite
nach Backbord. Dennoch sank es nicht sofort.
|
| Der britische Passagierdampfer "Athenia" sinkt über das Heck |
In den nächsten Augenblicken erkannte
Lemp seinen Irrtum, denn das Schiff funkte SOS und nannte dabei seinen Namen. Lemp sah aus den
Niedergängen Menschen hervorquellen, Boote wurden zu Wasser gelassen. In ihnen befanden
sich Frauen und Kinder.
U 30 verließ den Ort, an dem es den ersten Schlag in
einer Schlacht geführt hatte, die noch mehr als fünfeinhalb Jahre dauern sollte.
Zwei britische Zerstörer, ein norwegischer Frachter und eine schwedische Segeljacht kamen
den Schiffbrüchigen der langsam sinkenden "Athenia" zu Hilfe. Sie retteten 1300 Menschen,
118 aber kamen durch den Angriff des deutschen U-Bootes ums Leben. Unter den getöteten
auch 22 Amerikaner.
Der Angriff von U 30 auf die "Athenia" erwies der deutschen U-Boot-Waffe
keinen guten Dienst. Er erweckte in der deutschen Führung düstere Erinnerungen
an die Folgen, die die Versenkung der "Lusitania" durch U 20 im Mai 1915 vor Irland gehabt hatte.
Damals waren 1198 Menschen ums Leben gekommen, darunter 128 Amerikaner. Die Vernichtung dieses
Passagierdampfers hatte viel dazu beigetragen, die Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg
hineinzuziehen.
Hitler aber wollte Amerika vorerst um jeden Preis aus dem Krieg herauszuhalten.
Zudem hoffte er immer noch, mit den Westmächten zu einer Einigung zu kommen oder gar
Frankreich und England voneinander trennen zu können.
Die deutsche Propaganda
leugnete, dass die "Athenia" von einem deutschen U-Boot versenkt worden war. Zugleich
wurde die Operationsfreiheit der deutschen U-Boote auf Hitlers Geheiß noch weiter
eingeschränkt. So durften Passagierdampfer jetzt selbst dann nicht mehr angegriffen werden,
wenn sie im Geleit fuhren, also höchstwarscheinlich Truppen transportierten. Angriffe auf
französische Schiffe wurden den U-Booten gänzlich verboten.
Die Flotte des
Führers der U-Boote, so musste es in den ersten Tagen des Krieges scheinen, hatte
tatsächlich keine Chance, entscheidend in den Gang der Geschichte einzugreifen. Die
Vorurteile ihrer Gegner in der deutschen Seekriegsführung schienen bestätigt, die Skepsis
der Männer, die am Kampfwert der Boot zweifelten, verfestigte sich.
Doch bald schon
führte die unterschätzte Waffe vor, was sie vermochte. Ein U-Boot, und nicht eines
der mächtigsten deutschen Kampfschiffe versenkte das erste große britische Kriegsschiff
in diesem Krieg.
Am 17.09.1939 stand das deutsche U-Boot U 29,
das von Kapitänleutnant Otto Schuhart kommandiert wurde, im Seegebiet westlich vor Irland.
Am Abend dieses 17.09.1939 um 18:00 Uhr nahm Otto Schuhart plötzlich verwehten Rauch wahr, dann
Aufbauten, und dann schälte sich ein mächtiger Koloß aus dem feinen Schleier
von Dunst über dem Atlantik. Es war der britische Flugzeugträger "HMS Courageous". Ursprünglich
war der Träger von vier Zerstörern gehütet worden, doch zwei waren davongeprescht,
um einem Frachter zu Hilfe zu kommen, der über Funk einen U-Boot-Angriff gemeldet hatte.
Die so nun dezimierte britische Gruppe hielt Kurs, und dieser Kurs schien die feindlichen
Schiffe so weit an U 29 vorbei zu führen, dass das Boot nicht zum Schuß kommen konnte.
|
| U 29 läuft im November 1939 in Wilhelmshaven ein. |
Dennoch versuchte U 29 heranzuschleichen. Kommandant Schuhart berichtete: "Es sah wie ein
hoffnungsloses Unternehmen aus. Meine Unterwassergeschwindigkeit betrug weniger als acht Knoten,
während der Träger mehr als zwanzig Knoten laufen konnte. Aber bei der Ausbildung
war uns eingeschärft worden, dass wir immer in der Nähe bleiben sollten, und
genau dies tat ich und folgte ihm getaucht."
Nach zwei Stunden änderte der Träger
plötzlich seinen Kurs. Er drehte in den Wind, damit seine Flugzeuge starten und landen konnten.
U 29 durchstieß den Sicherungsring, den die Zerstörer um den Träger legten.
Die Asdic-Schallortungsgeräte auf den Zerstörer nahmen den Feind unter Wasser nicht
wahr. Dann stand U 29 in Schußweite. Es war 19:30 Uhr am Abend des 17.09.1939
Otto Schuharts Stimme klang durch das Boot: "Fächer los!" Aus den Rohren des Bootes
lösten sich die Geschosse und liefen, jedes mit 350 Kilogramm Sprengstoff beladen, auf den
Flugzeugträger zu. Der Kommandant berichtete: "Nachdem wir unsere Torpedos losgemacht hatten,
herrschte gespannte Stille im Boot, bis wir sicher waren, dass wir Erfolg gehabt hatten.
Dann konnten wir die Explosionen hören."
Am Rumpf des Trägers stiegen in diesem
Augenblick zwei riesige Detonationssäulen aus Wasser und Rauch hoch. Die Explosionen
rissen die Seite des Trägers auf, ein Feuerball stand über dem Schiff. Dann legte
sich das Schiff über, erst glitten die Flugzeuge vom Flugdeck ins Wasser, dann rutschten
Menschen hinterher. Um den Träger herum bildete sich eine riesige Lache von Öl aus.
Mitten in dem Öl befanden sich erstickende und ertrinkende Matrosen.
|
| Die "HMS Courageous" sinkt |
Die "HMS Courageous" schwamm noch 15 Minuten. Dann versank das 22.500 BRT große Schiff im Atlantik.
518 britische Seeoffiziere und Mannschaften fanden den Tod.
U 29 entkam der Wasserbombenverfolgung
durch die britischen Zerstörer. Kommodore Karl Dönitz notierte: "Die englische
Admiralität zog alle Flugzeugträger aus dem Atlantik zurück. Dies bedeutete
natürlich eine wesentliche Erleichterung für die Handelskriegsführung der U-Boote."
Nur knapp vier Wochen nach der Versenkung der "HMS Courageous" verhalfen Günther Prien und U 47 der
deutschen U-Boot-Waffe endgültig zum Durchbruch.
|
|
|